„Geh sterben, du Opfer!“,
„Ich finde dich und schlag dir eins aufs Maul!“
Kommentare wie diese wird wohl jeder Nutzer von Plattformen wie Youtube, Facebook oder Twitter schon gelesen haben. Sie behindern massiv die Gesprächskultur im Netz und machen sinnvolle Konversationen teils unmöglich. Justizminister Heiko Maas von der SPD möchte diesem Problem nun mit dem sogenannten „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“ entgegenwirken. Warum ich dieses extrem kritisch sehe, möchte ich im Folgenden darlegen.
Was besagt das Netzwerkdurchsetzungsgesetz?
Mit dem Gesetz möchte Heiko Maas gegen die Phänomene „Fake News“ und „Hatespeech“ vorgehen. Der 29-seitige Gesetzesentwurf besagt im Kern, dass soziale Netzwerke „offensichtliche Beleidigungen“ und „objektive Falschaussagen“ innerhalb einer bestimmten Zeitspanne zu löschen haben, sonst drohen empfindliche Strafen. Maas begründet dieses unter anderem mit einer Studie von jugendschutz.net, einer von Bund und Ländern ausgehenden Plattform, die besagt, dass soziale Netzwerke strafbare Inhalte nicht ausreichend löschen.
Kritik am Netzwerkdurchsetzungsgesetz:
Und genau bei dieser Studie beginnen auch schon die Probleme. Sie wurde aus verschiedenen Richtungen kritisiert, da sie auch sehr viele Fälle anführt, die knapp an der Grenze zum Strafbaren seien. Dadurch war die angeführte Zahl wohl höher als die wirklich strafbaren Inhalte.
Ein noch schwerwiegender Vorwurf aber, den man dem Gesetz machen kann, ist, dass er die Meinungsfreiheit stark einschränken könnte. Dieser begründet sich darauf, dass privaten Unternehmen die Verantwortung darüber gegeben wird, was strafbar ist und was nicht. Willkür und Unvermögen dürften dann wohl an der Tagesordnung sein, da die „Hate Speech“-Beauftragten bei den sozialen Netzwerken im Gegensatz zu den staatlichen keine geprüften Juristen sein müssen. Im Zweifelsfall dürften problematische Inhalte fast immer gelöscht werden, da von unrechtmäßig gelöschten Kommentaren keine Strafe ausgeht, nicht gelöschte wirklich strafbare Inhalte aber eine hohe Strafe nach sich ziehen.
Erwähnt werden muss auch, dass das Gesetz vorsieht, dass Firmen und andere Nutzer nun wesentlich leichter persönliche Daten von sozialen Netzwerken erhalten können, was nach Ansicht einiger Netzaktivisten das Ende der Anonymität im Internet bedeuten könnte. Aufgrund dieser Punkte wurde Maas selbst von IT-Experten in seiner eigenen Partei stark kritisiert, Matthias Spielkamp von „Reporter ohne Grenzen“ bezeichnete den Entwurf als „beschämend“, ein Reporter des Tagesspiegel als „Erdoganismus in Reinform.“ Mit Facebook sprach sich nun auch das erste soziale Netzwerk gegen das Gesetz aus und bezeichnete es als „unvereinbar mit dem deutschen Grundgesetz“.
Heiko Maas brachte den Gesetzesentwurf am 19. Mai 2017 in den Bundestag ein, wo er sehr gemischte Reaktionen hervorrief. Aufgrund einiger juristischer Unstimmigkeiten wird er wohl noch in einigen Punkten abgewandelt werden, aber in ähnlicher Form wahrscheinlich kommen. Meiner Meinung nach der falsche Weg.
Was kann man aber sonst tun?
Ich finde, Eltern sollten ihren Kindern klar vermitteln, dass auch Beleidigungen im Internet zu Strafen führen können. Ein frühes Bewusstsein in diesem Bereich könnte viel Wirkung zeigen. Um „Fake News“ entgegenzuwirken, sollte das Kultusministerium meiner Meinung nach die Lehrpläne so anpassen, dass ein wesentlich größerer Fokus auf Methoden wie beispielsweise das Unterscheiden seriöser von unseriösen Quellen liegt. Was Inkompetenz in diesen Bereichen angeht, ist die USA ein warnendes Beispiel; dort verlor Hillary Clinton einen nicht unwesentlichen Teil an potenziellen Wählern, die aufgrund von nachweislich falschen Informationen nicht für sie gestimmt hatten.
Ansätze wie diese finde ich wesentlich sinnvoller als ein schwammiges Gesetz, das unter Umständen sogar an der Meinungsfreiheit kratzt. Denn eines muss bei der Debatte klar sein: Artikel fünf des Grundgesetzes ist eines der Grundgerüste, auf dem unsere Demokratie und unsere liberale Gesellschaft aufbauen. An ihm darf nicht gerüttelt werden!
Frank Reimann, 8e
(Grafik: IsaacMao / flickr.com, Lizenz: CC-BY-2.0) ;