Man hat es schon etliche Male gehört: Das Klima leidet unter unserem Lebensstil. Proteste für eine klimaneutrale, eine bessere Zukunft haben wir alle gesehen, die zunehmenden Hitzewellen gespürt. Sind das genügend Erfahrungen, um sich dem Ausmaß unserer Rücksichtslosigkeit gegenüber der Umwelt bewusst zu sein? Eine Umfrage der Schülerzeitungsredaktion versucht dieser Frage auf den Grund zu gehen. Teilgenommen haben 291 Schüler des Adam-Kraft-Gymnasiums, die aufgefordert wurden, Zahlen in Bezug auf den Klimawandel zu schätzen. Dabei hatten sie jeweils drei Antwortmöglichkeiten. Die Ergebnisse wurden anschließend ausführlich ausgewertet und zeigen eine klare Tendenz auf.
Mobilität
Zunächst wurde gefragt, wie viel CO2-Ausstoß eine einzelne Person alleine im Bereich Mobilität verursacht. Auf die Frage antworteten 4,47 % mit 210 kg, 48,45 % gaben 1,2 t an und 47,08 % schätzten die Zahl auf 2,1 t. Das Ergebnis fiel also sehr knapp aus. Uneinig waren sich die Schüler zwischen 1,2 t und 2,1 t, richtig war letztendlich Letzteres. Dies verdeutlicht, dass Mobilität einen beträchtlichen Anteil an unserem CO2-Ausstoß hat.

Anschließend sollten die Teilnehmer den Ausstoß von CO2-Äquivalenten (Wert, der angibt, wie stark etwas zur Klimaerwärmung beiträgt) bei Pkws schätzen. Die deutliche Mehrheit gab mit 58,97 %, 84 g an. 19,66 % hofften auf einen vergleichsweise niedrigen Ausstoß von 41 g und nur 21,38 % tippten mit 142 g auf das richtige Ergebnis. Für uns als Schule sollte das ein klares Zeichen dafür sein, dass Aspekte wie etwa die sogenannten „Elterntaxis“ dringend thematisiert werden müssen.

Energie und Wasser
In jeder Schule wird sehr viel Papier verbraucht. Daher war auch die Frage wie viel Prozent Wasser und Energie bei der Herstellung von Recyclingpapier gegenüber Frischfaserpapier eingespart werden sehr interessant. Knapp ein Viertel der Schüler entschieden sich für eine Ersparnis von 50 % Wasser plus 50 % Energie. 40 % Wasser und 60 % Energie wurde von etwa einem Drittel angegeben. Die meisten Stimmen, nämlich 42,07 %, entfielen in diesem Fall auf das richtige Ergebnis: 80 % Wasser und 70 % Energie. Das Einsparpotential ist hier enorm und die meisten haben das auch so eingeschätzt.

Die vierte Frage beschäftigte sich mit Lebensmittelverschwendung. Laut einer vom deutschen Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft beauftragten Studie der Universität Stuttgart von 2012 werden in Deutschland jährlich elf Millionen Tonnen Lebensmittel verschwendet, was 138 kg pro Person entspricht. Besonders bemerkenswert bei dieser Frage ist, dass jeder vierte Teilnehmer die Menge der Lebensmittelverschwendung sogar als noch höher eingeschätzt hätte. Gleichzeitig ist es jedoch auch die erste Frage, bei der dies überhaupt möglich war. Knapp unter 60 % gaben mit 33 % verschwendeten Lebensmitteln das richtige Ergebnis an.

CO2-Ausstoß und menschliches Verhalten
Maximal 2 t CO2-Ausstoß dürften wir pro Person und Jahr verursachen, um die zunehmende Erderwärmung aufhalten zu können. In Deutschland liegen wir gerade deutlich über diesem Wert. Die richtigen 9,6 t schätzten jedoch nur ca. 20 % der Befragten. Damit liegt Deutschland bei einem (über) doppelt so hohen Wert im Vergleich zur gesamten Welt – ein mehr als ernüchterndes Ergebnis. 29,17 % vermuteten unseren Ausstoß mit 2,4 t nur knapp über dem von Experten gewünschten Ziel – eines, das noch in weiter Ferne zu liegen scheint.

Ein nachhaltigerer Umgang mit den Ressourcen unserer Erde ist also zwingend notwendig, wenn wir den Planeten den kommenden Generationen in einem lebenswerten Zustand überlassen wollen. Dies wird auch durch den sogenannten „Earth Overshoot Day“ verdeutlicht. Er gibt den Tag an, an dem die Bevölkerung eines Landes bzw. die Weltbevölkerung durch ihr Handeln und Konsumverhalten die biologischen Ressourcen aufgebraucht hat, welche die Erde im Laufe eines Jahres regeneriert. In Deutschland wurde dies am 4. Mai erreicht. 52,41 % der Teilnehmer schätzten das korrekt ein.

Was bedeuten diese Zahlen nun für uns?
Schätzungen beruhen auf unserem Wissen und auf unseren Erfahrungen. Wenn wir mit etwas noch nie zu tun hatten und somit nichts darüber wissen, wird (bei genügend Schätzungen) jede Antwortmöglichkeit zu 33,33 % getippt1. Wir können also annehmen, dass wenn sich die Teilnehmer unserer Umfrage nicht mit dem Klimawandel auskennen würden, hätte sich jede Antwortmöglichkeit bei 33,33 % eingependelt2.
In unserer Umfrage wurden drei Fragen richtig und drei Fragen falsch beantwortet, was einer Trefferquote von 50 % entspricht. Dieser Durchschnitt liegt deutlich über den neutralen 33 %. Das bedeutet, dass sich der durchschnittliche Schüler bewusst ist, dass sein Handeln Auswirkungen auf den Klimawandel hat. Klingt doch eigentlich nach einer guten Bilanz, oder?3
Durchschnittlich haben pro Frage 40,14 %4 das richtige Ergebnis getippt. Das sind nicht einmal 7 % über den neutralen 33,33 %. Der Unterschied ist tatsächlich so gering, dass er bei 291 Teilnehmern zu vernachlässigen ist und mit reinem Zufall gerechtfertigt werden kann. Besonders deutlich wird das bei Schätzungen, deren Antwortmöglichkeiten weit auseinander gehen. Ein gutes Beispiel dafür ist die erste Frage: Wie viele Tonnen CO2-Ausstoß verursacht eine einzelne Person pro Jahr? Es antworten zwar mit 47,06 % überdurchschnittlich viele richtig, aber das Problem sind hier die falschen Antworten. Über die Hälfte der Teilnehmer hat den CO2-Ausstoß nur halb so hoch geschätzt5, wie er tatsächlich ist. Bei der sechsten Frage weichen die Antworten sogar noch weiter vom Ergebnis ab.6
Wir wissen, dass sich unser Klima verändert und das versuchen diese ernüchternden Ergebnisse nicht zu bestreiten. Vielmehr zeigen sie uns, wie schlecht wir darin sind, die Größenordnung unseres Einflusses zu begreifen. Am Ende waren es schwer vorstellbare Zahlen, die es zu schätzen galt, aber auch der Fakt, dass viele nicht mehr über den Klimawandel wissen, als wie schlecht er ist, hat dazu beigetragen, dass statt zu Schätzen geraten wurde.
Tim Schindler, 10b
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1 A ∈ ℕ, 100 % ÷ A, bei 3 Antwortmöglichkeiten: 100 % ÷ 3 ≈ 33,33 %
2 Auf eine Frage, welche Zahl man als Nächstes mit einem Laplace Würfel würfeln würde, bekommt man jede Antwortmöglichkeit (L = {1, 2, 3, 4, 5, 6}) zu 16,66 %
3 100 % ÷ A beschreibt gleichzeitig auch die Wahrscheinlichkeit, bei der das vom Teilnehmer zufällig ausgewählte Ergebnis richtig ist. Jeder Schüler hätte somit im Durchschnitt 6 (Anzahl der Fragen) × 0,33 ≈ 2 Fragen richtig beantwortet. Das Wissen der Befragten wirkt sich bei Falschinformationen negativ auf die im Schnitt richtig beantworteten Fragen aus, indem es die Zahl verringert, während viel Aufklärung die Zahl erhöht. Wichtig dabei ist, nicht einzelne Teilnehmer zu betrachten, sondern immer den kompletten Datensatz. Wenn ein einzelner Schüler sich bei jeder Frage verschätzt, heißt das nicht automatisch, dass er sich auf falsche Informationen gestützt hat, denn beim zufälligen Ankreuzen kommt es (bei drei Antwortmöglichkeiten und sechs Fragen) mit einer Wahrscheinlichkeit von (100 % ÷ 3)^6 ≈ 0,14 % zu keinen richtigen Antworten.
4 47,06 % + 21,38 % + 42,07 % + 57,59 %+ 20,34 % + 52,41 %) ÷ 6 ≈ 40,14 %
5 0.1 × 8,45 + 0.57 × 91,55) ÷ 100 ≈ 53 %
6 0,25 ×36,37 + 0,5 × 63,63) ÷ 100 ≈ 41 %